Samstag, 4. Oktober 2008

Der Kampf für die Vernunft

Literarische Erörterung

Aufgabe 2 (Galileo Galilei, Bild8)

In Brechts Schauspiel das Leben des Galileo Galilei geht es um den Wissenschaftler Galileo, der das Weltbild der Kirche, durch die Erfindung des Fernrohres ins Wanken bringt. Weder Mathematiker, noch Philosophen, lassen sich auf seine Beweise ein. Im Kampf mit der Kirche um die Wahrheit widerruft Galilei schließlich, um der Folter zu entgehen. Brecht thematisiert den Wandel von Altem zu Neuem.

In der gegebenen Szene, Bild 8, findet ein Gespräch zwischen Galileo und dem kleinen Mönch statt. Der Mönch rät Galileo, sich der Astronomie zu entsagen, wie er es getan hat und berichtet von den Campagna Bauern. Laut dem Mönch, ist der Glaube der Bauern, dass das Auge Gottes auf ihnen liegt und sich alles um sie dreht, so wichtig, dass das Umstoßen dieses Glaubens für sie das Ende ihres Lebenssinns bedeuten würde. Nach Galileos Ansicht dient dieser Glaube lediglich zu Gunsten der Kirche. Er will die Wahrheit durchsetzten. Ohne Rücksicht auf die einfachen Bauern, die wie er sagt endlich anfangen müssen selbst zu denken. Seine neuen Lehren sind auch für sie von Vorteil, wenn auch nicht so schmeichelnd wie die alten. Der Mönch ist sich zwar der Wahrheit des neuen Weltbildes bewusst, weigert sich jedoch es zu vertreten. Er sieht nur das Unheil und die Gefahr, die es mit sich bringt.

Kleiner Mönch: „Und Sie meinen nicht, dass die Wahrheit, wenn es Wahrheit ist, sich durchsetzt, auch ohne uns?“

Galileo: „Nein, nein, nein. Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzten; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.“

Galileos Sicht nach ist vernünftiger Kampf für die Wahrheit ein sich lohnender und wichtiger Kampf. Ohne ihn setzt sich die Wahrheit niemals durch.

Im Folgenden lege ich für beide Positionen Gründe dar, um sowohl die Sicht des kleinen Mönchs, als auch die des Galileos, die ich vertrete, zu verdeutlichen.

Der stärkste Grund meiner Meinung nach besteht in Form eines Sprichworts: „Von nichts kommt nichts“ Wenn alle wie der kleine Mönch immer darauf gewartet hätten, dass andere die Wahrheit durchsetzten, oder sie es von alleine tun, Wo wäre all unsere Technik, all unser Fortschritt, unsere Freiheit und Gleichheit, unsere Rechte und unsere Toleranz? Wenn alle die Verantwortung von sich weisen nur die Rolle des Beobachters übernehmen wird sich nie etwas ändern. Das beste Beispiel ist das deutsche Volk im 3. Reich. Ein Beispiel für Unvernunft schlechthin. Selbst Einzelne, wie General von Stauffenberg konnten die Vernunft im Volk nicht wachrütteln.

Natürlich finden wir auch in der Geschichte der Menschheit aber auch Beweise, dass sich der Kampf für die Wahrheit früher oder später immer gelohnt hat. Unsere Gesellschaft ist geprägt, von Menschen, die für den Sieg der Vernunft gekämpft haben. Gandhi, Martin Luther King,…Sie alle haben sich für die Vernunft eingesetzt und bei weitem nicht immer sofort Siege erzielt. Sie waren ihrer Zeit stets voraus, konnten jedoch weitere von ihrer Wahrheit überzeugen und so diese verbreiten, bis sich schließlich genügend Druck hinter der Durchsetzung befand. Sei es nun das Volk, Macht, in Form von Politik oder Macht in Form von Geld. Leider bestimmte meist letzteres den Gang der Geschichte und nicht das Volk.

Eine weitere Möglichkeit der Begründung Galileis Aussage, ist das Aufzeigen seiner eigenen Geschichte (nach Brecht). Das vernünftige Handeln Galileis, also das Widerrufen und das verborgene Niederschreiben der Wahrheit hat Galileo zum Ziel gebracht.

Nach der Sicht Galileis, möchte ich nun die Sicht des Mönches belegen.

[Zwei Gründe, die die Position des Mönchs bestärken, für deren Suche mir allerdings Zeit und Geduld versagten.]

Der stärkste Grund für die Position des kleinen Mönchs ist wohl schlicht und einfach Angst. Das Weltbild der Kirche umzustoßen, die Kirche bloßzustellen und das eigne, wahre und zugleich ketzerische Weltbild, als das einzig richtige darzustellen bedeutete sich mit der Inquisition anzulegen. Um nicht sofort verbrannt zu werden, musste man bereits einiges an Bekanntheit mitbringen. Wer weiß ob Galileo den kleinen Mönch hätte vor den Grausamkeiten der Kirche bewahren können, wären beide gegen diese in den Krieg um die Vernunft gezogen. Es liegt insofern nichts näher, als jene äußerst gefährliche Durchsetzung der Vernunft anderen zu überlassen.

Abschließend kann man sagen, dass es in dieser Situation, in der sich der kleine Mönch hier befindet, es man ihm nicht verübeln kann, das eigene Leben über die Wahrheit zu stellen.

Globaler betrachtet muss man allerdings eingestehen, dass Feigheit nicht der richtige Weg ist. Wenn mehrere oder gar alle, die die Wahrheit im Geist tragen, für diese auch aufstehen, dann wird aus dem einzelnen eine Gemeinschaft und das Ziel rückt ein Stück näher.


Textgebundene Erörterung zum Zeit Online Artikel „Retro-Terroristen“ über die Begeisterung der Deutschen an der RAF

Der Zeitungsartikel „Retro-Terroristen“ von Tanja Dückers erschien am 23.09.08 auf Zeit Online. Dückers kritisiert darin die heutige Auseinandersetzung der Deutschen mit dem Terror der RAF. Da dieser ungefährlicher und überschaubarer gewesen sei als der heutige Terror aus dem nahen Osten, haben die Deutschen (mal wieder) ein Thema aus ihrer Geschichte gefunden, das in Zeitungen und Magazinen auseinander genommen werden kann.


Dückers kritisiert zuallererst die enorme Präsenz der RAF in den Medien. Weltkrisen wie der Krieg im Kaukasus, Probleme in Südafrika oder der Milchpulver-Skandal in China werden beiseite geschoben. Grund hierfür seien unter anderem ein Gefühl von Geborgenheit und „Nestwärme“ (Z. 13), das die RAF bei den Deutschen auslöst.

Gründe hierfür seien das enorme Wissen der Deutschen über die RAF. Elternhaus, Vorlieben und der Werdegang der Terroristen sind bekannt. Die Mitglieder der RAF agierten nicht in der globalisierten Welt, sondern als deutsche Staatsbürger in der überschaubaren Bundesrepublik.

Ein weiterer Grund für das enorme Interesse der Deutschen an der Terrororganisation sei das Motiv, das die Mitglieder der RAF zu Terroristen machte: Ihre Argumente (Klassenkampf, der Protest gegen den Vietnamkrieg und gegen die USA) seien rational und durch eine gewisse Logik begründet gewesen. Die Tatsache, dass die RAF mit nachvollziehbaren Argumenten tötete, gebe der Gesellschaft eine gewisse Stabilität.
In den 70er Jahren unterstützten circa ein Viertel der damals 20 bis 30-jährigen Deutschen dei RAF. Auch heute existierten noch Sympathisanten der RAF.

Die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik bzw. der westlichen Demokratien, die durch den Sieg gegen den Terror entstand, ist ein weiterer Grund Dückers für das Wohlgefühl der Deutschen der RAF gegenüber.

Dückers schließt ihren Artikel mit dem ironischen Kommentar, die folgenden Terroristen sollten sich doch schon einmal die Fernsehrechte sichern.


Natürlich hat Dückers insofern Recht, als dass sich die Deutschen intensiv mit der Geschichte der RAF auseinandersetzten. Doch genau diese Auseinandersetzung ist für eine Gesellschaft auch enorm wichtig. Ohne Reflektion über Geschehenes in der Vergangenheit kann nichts geändert und vor allem nichts verbessert werden.

Die 68er Generation, aus der die RAF ursprünglich stammte, warfen ihren Eltern vor, nicht selbstkritisch über die eigenen Fehler im Nationalsozialismus nachzudenken. Stattdessen wurden die alten Zeiten vergessen und neu begonnen. Kapitalismus und neue bürgerliche Lebensformen standen im Mittelpunkt. Möglicherweise mag dies für die Kriegsgeneration am besten gewesen sein, dennoch kann man die Kritik der 68er Bewegung über fehlende Reflexion nachvollziehen.
40 Jahre nach dem entstandenen Wunsch nach mehr Selbstkritik greift nun Dückers die Deutschen gerade deshalb an. Plötzlich ist Kritik wieder ein Schritt in die Vergangenheit und Reflexion eine „modisch-historische Nebensächlichkeit“ (Z. 3). Wer sich mit Vergangenem beschäftigt, ist nur an Tratsch, Klatsch und an „coolen Sonnenbrillen der Meinhof“ (Z. 1) interessiert.
Doch möglicherweise ist auch genau dies die deutsche Art, mit der eigenen Geschichte umzugehen. Entweder es wird zu viel oder zu wenig gemacht. Selbst wenn irgendwann das richtige Maß gefunden ist (möglicherweise ist es auch schon gefunden) wird sich trotzdem weiterbeschwert und ewig weiterkritisiert.


Doch trotz allem hat Dückers damit Recht, dass sich die Deutschen auffallend häufig mit der Geschichte der RAF beschäftigen. Überraschenderweise handelt es sich bei Filmen oder Geschichten über die Terrorgruppe auch immer nur um die Motive und den Werdegang der Täter. Noch nie wurde ausführlicher über die Opfer und deren Leben berichtet. Obwohl die RAF 34 Morde verübte, kennt die Mehrheit nur den Namen Hanns Martin Schleyers, der von der Zweiten Generation der RAF entführt wurde, um unter anderem Baader, Ensslin und Raspe aus dem Gefängnis freizupressen. Andere Opfernamen sind kaum bekannt und interessieren wohl auch niemanden. Warum auch, wo sich die Geschichten der Täter auch viel besser verfilmen lassen als die der Opfer.

In der deutschen Gesellschaft existiert also eine gewisse Faszination für die Aktionen der RAF. Die Filme, Artikel und Bücher beweisen, dass sich die Deutschen gerne mit dem Thema RAF beschäftigen.
Diese Beschäftigung entstand allerdings nicht aus dem Wunsch über die Geschichte der RAF zu reflektieren, sondern dient größtenteils der Unterhaltung. Deutsche Top-Schauspieler wie Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu und Johanna Wokalek wurden für den neuen Film „Der Baader Meinhof Komplex“ engagiert, um die breite Masse in die Kinos zu locken und möglichst viel Gewinn zu erzielen.
Terrororganisationen in anderen Ländern, wie beispielsweise die ETA in Spanien, wurden sicher keine 20 Filme, acht Biografien und neun umfassende Darstellungen der Geschehnisse gewidmet.
Zu oft wird außer Acht gelassen, dass die RAF nichts anderes als eine Gruppe gefährlicher Krimineller war, die aus einer fixen Idee heraus das Leben vieler Deutscher aufs Spiel setzte.

Letztendlich bleibt auch die Frage, ob nicht gerade diese enorme Begeisterung ein Merkmal der Deutschen ist. Dass sich die Deutschen von faszinierenden Menschen und faszinierenden Aktivitäten beeindrucken lassen hat schon Adolf Hitler 75 Jahre zuvor eindrucksvoll bewiesen.


Meiner Meinung nach ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte der RAF im Speziellen und die Reflexion über die Vergangenheit im Allgemeinen durchaus wichtiger, als die Tatsachen totzuschweigen. Es muss eine gesunde Mischung zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft herrschen.
Ich stimme Dückers Aussage zu, dass sich die Deutschen zu intensiv mit der RAF beschäftigen. Denn der Grund hierfür ist - wie oben bereits erwähnt - der Wunsch nach Unterhaltung und nicht Reflexion.
Die Gewalttaten der RAF sollten für kommerzielle Zwecke nicht verwendet werden.